Geh ich zeitig in die Leere….

Geh ich zeitig in die Leere

Komme ich aus der Leere voll.

Wenn ich mit dem Nichts verkehre

Weiß ich wieder was ich soll.

Wenn ich liebe, wenn ich fühle

Ist es eben auch  Verschleiß

Aber dann, in der Kühle

Werd´ ich wieder heiß!

Buckower Elegien, Bert Brecht 1898 bis 1956

Wer hätte das dem Brecht zugetraut, schöner und kürzer kann man die Wirkung einer Meditation nicht in Worte fassen. Wie man in Wikipedia nachlesen kann, hat er über 2300 Gedichte verfasst und (Quelle Wikipedia): „Es war für Brecht offenbar tiefes Bedürfnis, jeden Eindruck, jedes wesentliche Ereignis, ja jeden Gedanken in Gedichtform zu reflektieren“. Das zeigt, auch Bert Brecht hielt Meditation, das Gehen in die Leere, das gedankliche Aufsuchen von „kühlen Orten“, als Quelle der Orientierung und der Kraft.

Es gibt ganz unterschiedliche Motivationen, Techniken und Vorstellungswelten um zu meditieren, die Quelle der Vitalität und Energie in mir aufzusuchen und sich an ihr zu laben. Es gibt unzählige Meditationspraktiken wie Regeln und Richtlinien über das richtige Sitzen, Atmen, Mudras und Mantras sowie über das Lenken und Leiten der Energie, des Lichtes in uns, mittels unserer Gedanken und durch die Ausrichtung unserer Aufmerksamkeit. In diesem Aufsatz steht allerdings die Beweggründe, Motivationen und mögliche Zielsetzungen im Vordergrund der Betrachtungen. 

Sich immer regen bringt nicht immer Segen.Unser Lebensalltag stellt sich wie ein mühevoller Ruderausflug dar, wir rudern und rudern am Fluss des Lebens bis zur Erschöpfung. Es ist dabei egal, ob wir rudern, weil das Leben von uns alles abverlangt, unsere persönlichen Lebensbedingungen generell mühevoll sind oder ob wir auf der Butterseite, der Sonnenseite des Lebens befinden, es viel zu verlieren und noch mehr zu gewinnen gilt. Am Ende steht für beide Ruderer die Erschöpfung. Aufzugeben, sich im Fluss des Lebens treiben zu lassen, das ist nicht so einfach, wir sind an dieses Boot, unseren Körper, gefesselt und die Ruder (unser Geist) unverbrüchlich mit dem Boot verbunden.
Nacherzählt nach der Geschichte von den zwei Ruderbooten von Stefan Gimpl, Artikel: Licht und Schatten, Ein Einblick in die Struktur des Yijing 5, Qigongperiodikum 37.2.2014

Augenblicke der Freude und des Friedens auszuprobieren.Stefan Gimpl, der Autor des Artikels „Licht und Schatten“ zitiert Krishnamurti („Das ist mein Geheimnis: Ich habe nichts dagegen, was geschieht!“) und kommt zum Schluss: „Hingabe zu leben und dem was ist, generell nicht zu widerstreben um unserer inneren Wesensnatur von Friede und Freude zu entsprechen!“, so ist das ein hehres Ziel, das jeder mit sich selber ausmachen muss;  aber im Rahmen einer Meditation wenigsten für kurze Augenblicke, diesen Frieden, diese Freude in sich zu spüren, das darf von jedem ausprobiert, regelmäßig ausgeübt und erlebt werden.

Sich seiner wirklichen Mission in diesem irdischen Dasein bewusst werden.

Natürlich gibt es auch noch andere Motivationen zu meditieren, sich still, achtsam und bewusst hinzusetzen und sich in Stille, in einem bewegenden Gedanken oder in einem numinosem  Erhaben- und  Ergebenheitsgefühl  zu versenken. Das Ergebnis, der Lohn der Bemühung ist ein Gefühl, sich im Schnellverfahren zu erneuern, zu regenerieren und  wieder den Boden unter den Füssen zu spüren.

Der Weg und die Kraft, Lao-Tze (38)

Höchste Kraft ist ohne Kraft,
darum bleibt ihre Kraft erhalten.
Die mindere Kraft lässt nicht ab von der Kraft,
weshalb es ihr an Kraft gebricht.
Die höchste Kraft ist handlungslos, und hat keinen Grund zu handeln.
Die mindere Kraft wirkt auf die Dinge ein, daher kommen Beweggründe.

Quelle: https://www.yangtaichi-hh.de/Laotse.htm: Der Übersetzer wird  nicht genannt

Eine Meditation im taoistischen Sinne verfolgt daher das Ziel, einfach und absichtslos für einige Augenblicke die Gedanken wie Ruder ruhen zu lassen, ganz im Augenblick des Seins einzutauchen, ohne große Vorstellungen, Bilder und Absichten wirken zu lassen, einfach leer und still zu werden, was sich zu guter Letzt, ja als alles andere als einfach darstellt.

In die Leere gehen, still werden.Mit dem  ist auch Gedicht von Bert Brecht ist  die Zielsetzung einer taoistischen Meditation schon sehr gut getroffen: in die Leere gehen, Still werden, dem Große Einem gewahr werden, ihm ganz nahe rücken. Die Erklärung dazu liefert uns das Yijing (i Ging) in der Übersetzung von  Richard Wilhelm:  „ .. was in der Sichtbarkeit geschieht, ist die Auswirkung eines „Bildes“,  einer Idee im Unsichtbaren und der Sinn (das DAO/TAO)  ist eine unsichtbare aber ständig wirksame  energetische und geistige Welt, die für jeden von uns erst durch Gewahrsamkeit sichtbar, hörbar und erlebbar wird!“ Sehr schön formuliert es Achim Eckert im Einleitungstext zum Buch, Das TAO der Akupressur und der Akupunktur.„Mediation im taoistischem Sinn ist nicht der Vollzug von äußeren und Inneren Ritualen sondern bedeutet ein Eintauchen in die Dinge wie sie sind, ohne sie zu verändern zu wollen, ohne Widerstand. Dem DAO/TAO zu folgen, heißt demnach seinem Inneren zu folgen und auf eine ständige Erklärbarkeit der Dinge zu verzichten!“

Im Vers 38 des Tao de King läßt uns Laotse wissen, das die höchste Kraft in der Kraftlosigkeit liegt und die höchste Kraft handlungslos bleibt, denn sie hat keinen Grund zu handeln!

„Wenn das Bewusstsein viele Dinge widerspiegelt, verlierst du die ursprüngliche Wirklichkeit!“

Die sehr Praxis orientierte Vorschläge zu Meditation, zum richtigen Atmen und Anregungen zur Beruhigung des Geistes, die auf der Erfahrung von Jahrhunderten beruhen machen das Buch in besondere Weise für Übende spannend und nützlich.

An das Denken, was nicht denkt (Chan-Meister Hongren)

„Wer sich zur Mediation im Sitzen anschickt, breite  an einem ruhigen, aufgeräumten Ort ein dicke Sitzmatte aus, setzt sich in Lotusstellung indem er zuerst den rechten Fuß auf den linken Schenkel, dann den linken Fuß auf den rechten Schenkel legt….. So klingt der konkrete Vorschlag vom Chan-Meister Hongren (602-675 n.Chr., 5. Patriarch des Chanbuddhismus in China*).

Die Erreichung der Buddhanatur ist das höchste Ziel eines buddhistischen Adepten, die Arbeit an der Erleuchtung ist  ein Königsweg zur Befreiung. Die Buddhanatur ist in jedem Wesen immanent vorhanden aber beim Menschen durch das aktive Denken, bewusste Gedankenkonstruktionen (Erkenntnisse,Bewusstsein und Wahrnehmung) und die darauf basierenden, illusorischen Vorstellungen verstellt.  Die Buddhanatur wird als reines Bewusstsein, ein Bewusstsein frei von jeder falschen Vorstellung definiert, die entweder auf einen Stufenweg Schritt für Schritt und mit großer Disziplin oder durch eine spontane Erleuchtung erreichbar ist.

„Das wahre So-Sein, die Buddhanatur, ist im Meer des Denkens, Wahrnehmens und Fühlens und versunken und tanzt im Wechsel von Geburt und Tod auf und nieder, unfähig seiner Gefangenschaft zu entkommen. Zur Befreiung der wahren So-Heit aus diesem Gefängnis ist es notwendig, das eigentliche, wahre Bewusstsein zu bewahren, so dass keine willkürlichen Gedanken aufsteigen, egoistische und Besitzergreifungen Einstellungen verschwinden und  spontan die Gleichheit und Einheit mit der Buddhanatur verwirklicht wird

Erleuchtung wird dadurch erlangt, dass man das Bewusstsein erkennt. Verwirrung entsteht, weil man die Berührung mit der Natur verliert.“

„Und es ist eigentlich ganz einfach, wir brauchen nur unsere eigene Wesensnatur zu sehen, um Buddhaschaft zu erlangen und „An das zu denken, was nicht denkt, ist die eigentliche Kunst der Meditation im Sitzen!“ (Chan-Meister Dogen)

Das Ziel ist ganz nahe aber auch so unendlich weit entfernt (Zen-Meister Dógen)

Im vierten Handbuch:*) “Allgemeine Empfehlungen zur Meditation im Sitzen“  von Zen-Meister Dógen (1200 – 1253 n.Chr.), einem Pionier des Zen Buddhismus in Japan wird präzisiert, dass das Fahrzeug zur „Quelle“, die Meditation,  bereit steht, das Ziel ganz nah, nicht getrennt vom Hier und Jetzt ist, entfernt es sich bei der geringsten Disharmonie unendlich weit. Nur wenn es uns gelingt, Körper und Geist ganz natürlich aller Inhalte zu entleeren, dann wird sich uns die ursprüngliche, natürliche Verfassung offenbaren. Die objektive Realität wird manifest, jenseits aller Täuschungsfallen. Wenn Vergessenheit und Ablenkung überwunden sind, werdet ihr wissen, dass die Wahrheit evident geworden ist. Man könnt Sitzen als würdiges Verhalten jenseits von Klang und Form charakterisieren.

„Arbeitet einfach weiter im Sitzen, bleibt unbeweglich. Auch wenn scheinbar zehntausend Unterschiede und tausend Differenzen auftreten, bleibt einfach bei intensiver Mediation, um den Weg zu meistern. Wer wäre so töricht, die Augen auf Ziele zu richten, die nur flüchtige Augenblicke dauern? Fügt zu dieser Überlegung den Umstand hinzu, dass der Körper wie ein Tautropfen im Gras ist und das Leben wie ein kurzer Blitz: Im Nu sind sie leer, in einem Augenblick verschwunden.“

„Die Tatsache, die wesentliche Substanz, das Ein und Alles des Buddhismus ist das Aufgehen im Lichtschatz!“ Zen-Meister Ejo

„Aufgehen im Lichtschatz!“ so wird das Ziel  im Handbuch des japanischer Zen-Meister Ejo(1198-1282 n.Chr.)

Der sogenannte Lichtschatz ist die Wurzelquelle aller Buddhas, das allen lebenden Geschöpfen inhärente Sein, die umfassenden substanziellen Phänomene, der Schatz des großen Lichts der geistigen Kräfte der vollständigen Achtsamkeit.

„Täuschung stellt sich die Dinge als existierend oder nicht existierend vor, als real oder nicht real, als geboren oder nicht geboren. Konzentriere dich an einem schön aufgeräumten Ort, Verharre ruhig und bewegungslos wie ein Polarberg. Beobacht nun, daß alle Phänomene keine Existenz haben, Daß sie wie leerer Raum sind, ohne Festigkeit, Und weder geboren werden noch entstehen. Bewegungslos, ohne zu ermatten, wohne in der Einheit: Das wird der Ort der Nähe genannt!“ Die Drei Körper, die Vier Erkenntnisse und die Zustände dieses Aufgehens, zahlreich wie Atome in jedem Aspekt der Wirklichkeit, sie alle kommen daraus zum Vorschein:

Die Drei Körper, die drei Aspekte des Buddhismus

  • der Körper der Wirklichkeit, der dem Wesen entspricht
  • der Körper der Freude, der dem Wissen entspricht
  • der Körper der Emanation, der der Handlung entspricht

Die Vier Erkenntnisse – Ausdruck des Buddha-Bewusstseins

  • Erkenntnis wie ein Spiegel, die die Dinge als solches sieht, unparteiisch, reflektierend
  • Erkenntnis der Gleichheit, die die Dinge im Sinne ihrer universellen Wesensnatur sieht,
  • Eine analytische, beobachtende Erkenntnis, die die Dinge im Sinne ihrer individuellen Funktionen, Eigenschaften und formen sieht
  • Eine praktische Erkenntnis, die die Dinge im Sinne von Zusammensetzung und Wirkung sieht.

*) Quelle:Das Auge des Geistes, Vom Einstieg in die Basismedidation, Thomas Cleary, ISBN 3-548-35734-2

Hinsetzen und ausprobieren. „Sei bei der Mediation im Sitzen im Herzen mutig und im Haupt offen und ehrlich. Reinigt das Selbst und leert das Herz. Kreuzt die Beine und blickt nach innen. Sei in aller Klarheit wach und achtsam, dann bleibt ihr stets vor Vergessenheit einerseits, Erregung andererseits bewahrt. Dringt etwas in euer Bewusstsein ein, so zur euer Möglichstes, es wieder hinauszuwerfen.“ (Im Auge des Geistes, Chan Meister Foxin Bencai)