Hermann Hesse, das  Stufengedicht 

Die Inhalte der Zeilen wirken lassen!

Erste Strophe

Wie jede Blüte welkt und jede Jugend
Dem Alter weicht, blüht jede Lebensstufe,
Blüht jede Weisheit auch und jede Tugend
Zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern.
Es muß das Herz bei jedem Lebensrufe
Bereit zum Abschied sein und Neubeginne
Um sich in Tapferkeit und ohne Trauern
In andre, neue Bindungen zu geben.
Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,
Der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.

Zweite Strophe

Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten,
An keinem wie an einer Heimat hängen,
Der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen,
Er will uns Stuf´ um Stufe heben, weiten.Kaum sind wir heimisch einem Lebenskreise
Und traulich eingewohnt, so droht Erschlaffen;
Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise,
Mag lähmender Gewöhnung sich entraffen.

Dritte Strophe 

Es wird vielleicht auch noch die Todesstunde
Uns neuen Räumen jung entgegen senden,
Des Lebens Ruf an uns wird niemals enden,
Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde! 

Was das Gedicht mir erzählt!

  1. Alles im Leben, auf der Welt hat ein Ablaufdatum, es wäre schlimm, wenn es nicht so wäre. Der Tod ist daher etwas ganz Natürliches und wichtig um von gewohntem Abschied zu nehmen, Platz zu machen, neu beginnen zu dürfen . Alles hat seine Ablaufzeit. Es geht aber nicht nur lebendige Dinge so sondern auch dem Wissen (Weisheiten), der Moral (Tugenden), also allen materiellen, physischen wie auch immateriellen, emotionalen und geistigen Bereichen und Erscheinungen.  
  2. Sich auf das Kommende ausrichten, bereit und offen für Neues zu sein und wissen, dass es neue Bindungen, Verbindungen und Konstellationen geben wird. Keinen Abschiedsschmerz zulassen, etwas Wehmut und Abschiedsschmerz ist allerdings erlaubt.
  3. Der Zauber liegt im Anfang und nicht im Ende, Optimismus, Veränderung, Erfahrungen anwenden und es noch einmal probieren, das motiviert, aktiviert und gibt Hoffnung. Aber der Zauber ist eingebettet in einen Abschied, in eine Trennung in ein Loslassen.
  4. Es ist wie eine Wanderung durch ein großes Gebäude, wo wir Raum um Raum durchschreiten und alle Räume zusammen bilden erst ein ganzes Haus – alles gehört zu zusammen – ist eins. Erst das Durchschreiten der Räume öffnet unseren Geist, unsere Begrenzungen und sprengt alles beengende und erstarrte.
  5. Wider der Erstarrung, der Ermüdung, der Gewohnheit leben, das befreit und macht lebendig.
  6. Auch die Todesstunde dürfte so eine optimistische Botschaft in sich tragen, wir sollten sie erkennen und uns bereit für den Abschied sein um gesund zu werden – unser Herz gesunden zu halten.
  7. Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde!

Ein Zauber, der erst wirksam wird, wenn man die Kunst des Abschieds beherrscht!

„Und jedem Anfang liegt ein Zauber inne!“ Das häufig verwendet, kurze Zitat aus dem Gedicht kann nicht die Idee, die Botschaft des Gedichtes enthüllen.  Beim Zitieren wird zumeist „zu kurz gesprungen“! Zwar wird immer der Zauber des Anfangs beschworen aber nie auf die Konsequenzen bzw. damit verbundenen Bedingungen gedacht und hingewiesen wie es die Intention des Dichters war.  Die Aufforderung am Schluss ist die zentrale Botschaft: „Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde!“  Das Gedicht würde es verdienen im Rahmen  von QiGong Vorträgen nicht nur kurz zitiert sondern in seiner Ganzheit mit Aufmerksamkeit und aktiver Bewusstheit gelesen und behandelt und damit auch verstanden zu werden.

Die Brücke zu TAO, die Verbindung suchen und erkennen!

Weiterführende  Verbindungen zum DAO/TAO, denen noch nachzuspüren wäre (wenn sich wieder eine Gelegenheit ergeben sollte)

  • Die Philosophische Dimensionen dahinter in Verbindung zum DAO ausleuchten 
  • Als gedankliche Begleitung zum Aufstiegsweg zum „Wahren Menschen – Zehn-Ren“ einbauen
  • Als ergänzende, gedankliche Hilfestellung für die dankbare Annahme einer endlichen, irdischen Existenz

Die literarisch, philosophische Verbindungen zum DAO/TAO

Yijing (I-Ging) Vers (Epigramm) 25: „TAO –  ich nenne es groß weil…ewig fließend, weit reichend, immer wiederkehrend!“

Vers 2 (Epigramm) 2: Die Polarität Nutzen (R.Wilhelm) bzw. nach R.L.Wing: Pflege der Persönlichkeit!) Yin + Yang, sich der Polarität von Leben und Tod  bewusst sein

Ein weiteres Gedicht von Hermann Hesse, das sich verdient, vor den Vorhang geholt zu werden:  „Das Leben, das ich selbst gewählt“. Aber alles zu seiner Zeit!