Die Geisterwelt von DAO/TAO

Die taoistische Philosophie des Seins beruht auf einen Dreiklang, der Trinität allen Seins. Es besteht in unserem Fall aus der Materie, einer Manifestation des Geistes und als energetische Verbindung und materielle Grundlage dient das alles durchdringende Qi. 

Yuan Shen ist der Ursprungsgeist, aus dem alles, der alles aus der großen Leere entstehen läßt und daher in jedem von uns, in jedem Wesen und auch allen Dingen präsent ist. Shen ist die jeweilige, individuelle und persönliche geistige Ausprägung während Hun, die seelische-geistige (Leber) und Po (Lunge) die körperlich-geistige Komponente abbildet. Zhi, der Wille ist der Niere zugeordnet und Yi, das Denken der Milz. Somit stellt unser Körper ein Abbild der geistigen Wirklichkeit dar. Über dieses elaborierte Geistkonzept  wird noch vertiefend zu diskutieren sein, doch zuerst will ich einer Frage nachgehen, die aufgrund der gelesenen Abhandlungen zu diesem Thema offensichtlich wird:

“Heißt es“Der Geist, die Seele, der, die oder das Hun, Po, Yi und Zhi?“

Es fällt auf, dass auch oft innerhalb der verschiedenen Beschreibungen und Darstellungen die Begriffe Seele und Geist synonym verwendet werden. Georg Weidinger (Autor des Buches „Die Heilung der Mitte“) bevorzugt eher Geist, als >Ihn< und >Er< wogegen Norbert Herwegh (Im Fluß des Lebens) eher >Sie<, die Seele als Begriff bevorzugt. Ganz anders Josephine Zöller, sie sieht in der Übersetzung von Shen als Geist eine Irreführung, Angesicht dessen, was wir landläufig unter Geist verstehen. Sie spricht daher in weiterer Folge weder von einem >Sie> oder einem >Er< sondern von einem >Es<, das Shen als Neutrum. Um Klarheit herzustellen ist es daher notwendig, etwas tiefer zu graben und einem möglichen Unterschied der beiden Begriffe nachzuspüren. 

Seelisch berühren ist ein „Mehrwerden“

(Gila Roger, Psychologin mit Praxis am Tegernsee)

Gila Roger hat bei ihrem Vortrag im Rahmen der Qigongtage 2021 Seele als einen alten, theologischen Begriff definiert. Er wird verwendet, um eine geistige, unsterbliche Essenz zu beschreiben, die ein moralische ausgerichtetes Leben über den Tod hinaus erstrebenswert und notwendig macht. Vielfach in der Poesie und Lyrik verwendet von Literaten und Dichter, steht Seele als Namen für eine Präsenz in uns und über unser irdisches Sein hinaus, die weit über das Wort Präsenz hinausreicht. Die Seele ist demnach eine Intelligenz des Lebens, die die Wahrheit liebt, in Liebe zur Ehrlichkeit, Menschlichkeit und einer allumfassenden Existenz ist. Die Auswirkung dieser  Liebe können wir seelisch, daher tief in uns, als ein Mehrsein von Körper und Geist empfinden und spüren. Seelisch berührt werden ist daher ein Mehrwerden, ein Erleben der Ganzheit unseres Seins. Die Separierung der einzelnen Lebens- und Funktionsbereiche, wie sie durch die naturwissenschaftliche Medizin erfolgt, ist daher eine „organisierte Verantwortungslosigkeit“  (G. Rogers). Experten entscheiden als Spezialisten für einen speziellen Bereich ohne die gesamte Verantwortung zu übernehmen. Die Naturwissenschaften entlebendigen damit die Natur und in weiterer Folge geschieht das auch mit uns!

Seele steht in dieser Definition für eine umfassende, eine ganzheitliche Sicht der Dinge, die schlußendlich unser persönliches Sein, unsere Verantwortung über unsere Persönlichkeit hinaus, daher für unsere Lebenswelt und über unsere irdische Existenz, hinaus festmacht.

Mit Leib und Seele wie völlig, ganz und gar!

Früher einmal war es selbstverständlich, die Seele als untrennbaren Teil unseres Körpers zu betrachten wie es in der Alt- und Mittelhochdeutschen Redewendung „Mit Leib und Seele!“ oder „An Leib uns Seele…!“ zum Ausdruck kommt. Es war dem Philosophen René Descartes im 17. Jahrhundert  vorbehalten, den Begriff Seele auf den Denkprozess eines Menschen zu reduzieren, die Seele als belebendes Prinzip aller Lebewesens (siehe Wikipedia) zu negieren und daran eine Grundsätzliche Debatte über ein Leib und Seele Problem loszutreten, die bis heute andauert. Heute wird im Sprachgebrauch der Psychologie das Fremdwort „Psyche“ verwendet aber wie würde es klingen, wenn man anstatt „Er/Sie ist eine gute Seele“; „Er/Sie hat keine Seele“ „Er/Sie hat (ist) eine gute Psyche“ oder „Er/Sie hat keine Psyche!“ ohne den gefühlsbetonten Beiklang von Seele sagen würde? 

Die Bedeutung des Begriffes Seele ist vielfältig, abhängig von den mythischen, religiösen oder psychologischen Lehren, in denen er vorkommt. Im alltäglichen Sprachgebrauch werden damit meist die Summe aller Gefühlsregungen und geistigen Vorgänge gemeint, die mich als Menschen bewegen und lebendig sein lassen. Seele kann in diesem Sinne als das Prinzip, als Verursacher gelten, der diesen Regungen und Gefühlen zugrunde liegt. Am geeignetsten in dieser Diskussion sehe ich die Definition von Seele als „immaterielles Prinzip“, als Träger des Lebens und der Identität eines Individuums in Unabhängigkeit des Bestehens eines dauerhaften, physischen Körpers durch die Äonen unseres ewigen Seins trägt weil sie unsterblich ist. Sie nimmt damit die Position eines persönlichen Yuanshen, meines persönlichen, individuellen Yuanshen ein. Und erst wenn dieser, mein persönlicher Ursprungsgeist, meine Seele, von den vielen Verunreinigungen von vielen Leben gereinigt ist, ist er bereit sich mit dem großen Geist, der Quelle, der großen Leere zu verbinden. In diesem Sinne wäre die Seele synonym mit Shen, meinen persönlichen Shen zu verstehen. Er ist der Gesamtausdruck meiner 4  Körpergeister, der Hun, Po, Yi, Zhi. Hun nimmt dabei als Geistseele die Mittlerrolle als Hunshen (siehe Buch „Im Fluß des Lebens“ Seite 232) zwischen dem Jenseits und dem Diesseits, als Geistseele zwischen den Körper- und Organgeistern und dem Shen sowie zwischen dem Diesseits und dem Jenseits als Wanderseele nach meinem Ableben ein.

Der Geist, ein ewiger Geist, letztendlich die Verbindung zum unserem Ursprung

Eine Seele etwas sehr Persönliches, die über Äonen unseres persönlichen daher seelischen Seins, die Erfahrungen, Erinnerungen und den Grad unserer persönlichen Entwicklung, daher den Reinheitszustand unseres seelischen Seins abbildet. Zu guter Letzt, wenn die Seelenreinheit mit der  Reinheit des ursprünglichen Geistes übereinstimmt, vereinigt sie sich wieder mit diesem, der Ursprungsseele des Kosmos. 

Ein Geist, im Verständnis des DAO,  ist generell jedem Sein immanent gegeben bzw. die vorausgesetzte Grundlage jeden materiellen, energetischen oder geistigen Seins. Dieses grundsätzliche Verständnis des Begriffes Geist/Shen erschließt sich für mich aus Genese der „Drei Schätze des DAO“.

Im Gegensatz zu unserem Gottesbild, einem alles erschaffenden, beurteilenden und sowohl belohnenden und strafendem Gott, der außerhalb und über des bestehenden Universum steht, unterliegt der Ursprungsgeist in gleicher Weise wie jedes (lebendige) Wesen und Ding den unveränderlichen kosmischen Gesetzen (Naturgesetzen) des DAO/TAO ist gleich der Natur. Er greift auch nicht gestaltest und beurteilend in das Werden und Vergehen unserer Welt ein. Er ist aber die Quelle allen Seins, aus der unser Leben und Dasein fließt und die Rückkehr in diese reine Quelle des Seins, ist das Ziel jeden Seins. Die Voraussetzung für eine Rückkehr, eine Wiedervereinigung ist allerdings eine Reinheit des eigenen Seins, wie diese am Ursprung, an der Quelle gegeben war und gegeben ist. Die Unreinheit unseres Seins ist allerdings nicht unbedingt eine Verschmutzung durch, sondern eine Voraussetzung für jedes individuellen Werdens. Wir müssen, um beim Metapher der Quelle zu bleiben, als Bächlein, als Bach, als Fluß, als Strom den Weg zum Meer, zum Ursprung unseres Seins, antreten, beschreiten bzw. durchleben. Wie ein Fluß sammeln wir dabei gute und weniger gute Stoffe auf, die das Wasser, die uns, als Fluß wertvoll oder auch gefährlich machen. Wir liefern auf diesem Weg den Baustoff, das Material für wunderschöne Lebensräume und Biotope um vielgestaltiges Leben zu ermöglichen, denn genau das ist unsere Lebensaufgabe, ein Naturgesetz. Wie sagt es Kalil Gilbran im „Der Prophet“ so treffend: „Es ist die Sehnsucht des Lebens nach sich selbst!“ und im  Fluß des Lebens, Seite 232, die Impulssetzung (für dieses, unseres Lebens) wird ausgelöst durch Hunshen, eine Wortkreation des Autors, die darauf verweist, dass auf menschlicher Ebene bereits ein persönlicher, individueller „Vertreter“ des Ursprungsgeistes aktiv wird.

Aber zu guter Letzt ist alles möglich, denn lt. Wikipedia: 

„In den indigenen Traditionen wird gewöhnlich davon ausgegangen, dass der Vielfalt mentaler und körperlicher Funktionen eine Vielfalt von Verursachern entspricht. Daraus ergibt sich die Annahme einer Vielzahl eigenständiger seelischer Mächte und Kräfte oder sogar eigenständiger „Seelen“, die sich in einem Individuum betätigen und dessen mannigfaltige Lebensäußerungen bewirken. Für jede dieser Instanzen gibt es einen eigenen Begriff, doch die Zuordnung der einzelnen Funktionen zu den seelischen Mächten ist oft unscharf“.

Heißt es jetzt der Geist Hun, der Po, der Yi, und der Zhi?

oder heißt es, die Seele Hun, die Po, die Yi, und die Zhi oder als Neutrum das Hun, das Po, das Yi und das Zhi? Für mich ist daher Shen ein männlicher Geist (Yang), der jeweils für das Konstituierende, das Lebendige und Bewusste einer Entität schlecht hin steht und daher in vielen Ausprägungen aber immer bezogen auf eine Entität (etwas Seiendes), zu verstehen ist. Hun, Po, Yi und Zhi sind daher in meiner Definition Geister, Shen hingegen kann sowohl als Geist im obigen Sinn als auch als Seele in der Funktion als Träger einer persönlichen und umfassenden Identität des menschlichen Wesens verstanden werden. Vice versa vertreten Hun, Po, Yi und Zhi keinen seelischen sondern den geistige Aspekt ihrer jeweiligen Identität und sind daher Geister bzw. Yang, die im jeweiligen Körper Yin logieren und diesen konstituieren und bewegen.